Digitale Lernplattformen wie die Plattform kluug versprechen einen niedrigschwelligen Zugang zu Bildung – unabhängig von Lernerfahrungen oder individuellen Lernniveaus. Doch wie steht es um die Barrierefreiheit, insbesondere für Menschen mit Hörbehinderung? Unsere digitale Leseförderanwendung kluug erfreut sich immer größerer Beliebtheit und wird zunehmend in Schulen und Bildungseinrichtungen genutzt. Doch ist sie auch für Schüler*innen mit Hörbeeinträchtigungen geeignet? Welche Potenziale bietet kluug für diese Gruppe von Lernenden und in welchen Bereichen besteht noch Verbesserungsbedarf?
Eine unabhängige theoretische Analyse zu diesem Thema hat Frau Türk im Rahmen ihrer Bachelorthesis für ihr Studium an der Universität Hamburg durchgeführt. Hierbei beleuchtet sie die Funktionalitäten und Inklusionspotenziale von kluug speziell für Nutzer*innen mit Hörbehinderung. In diesem Blogbeitrag schauen wir uns einige relevante Ergebnisse dieser Untersuchung an und diskutieren, inwiefern kluug den Anforderungen an eine inklusive Lernplattform für Schüler*innen mit Hörbehinderung gerecht wird – und wo Nachbesserungen nötig wären.
Die Bedienoberfläche von kluug ist möglichst intuitiv und leicht zugänglich für Schüler*innen gestaltet. Wie die Analyse von Frau Türk bestätigt, orientieren sich die verwendeten Icons – etwa Pfeiltasten für Bewegungen oder Start- und Stopptasten – an vertrauten Symbolen aus dem Alltag. Zusätzlich unterstützen lautsprachliche Erklärvideos mit verschiedenen Sprachoptionen und visuellen Hilfen, wie sichtbare Mausbewegungen, die Verständlichkeit. Damit stellen wir sicher, dass kluug von möglichst vielen Schüler*innen, unabhängig von ihren Vorerfahrungen oder sprachlichen Voraussetzungen, leicht genutzt werden kann. Frau Türk sieht in der Gestaltung der Bedienoberfläche für lautsprachliche Schüler*innen ein großes Potenzial (vgl. Türk 2024: 14). Für die maximale Barrierefreiheit empfiehlt sie uns gleichzeitig, Tutorialvideos und sämtliche andere Inhalte, welche bei kluug auditiv sind, auch in deutscher Gebärdensprache zu produzieren. Wir bedanken uns für diesen Hinweis und werden überlegen, wie wir dies in kluug berücksichtigen können.
Bei der Entwicklung von kluug haben wir großen Wert auf die Unterstützung differenzierender Lehr-Lern-Prozesse gelegt. Das bedeutet, dass wir es Lehrkräften ermöglichen wollen, exklusive Lernsituation mithilfe von kluug zu schaffen, in denen die Schüler*innen individuell gefördert werden können. Solche exklusiven Lernsituationen sind dabei keineswegs ein Widerspruch zu inklusivem Unterricht, sondern können gut integrativ in einem inklusiven Unterricht eingesetzt werden. Auch Frau Türk analysiert in ihrer Bachelorthesis, dass die exklusiven Lernsituationen, die kluug ermöglicht, inklusiven Unterricht nicht behindern, sondern sinnvoll ergänzen können. Sie betont, dass „kluug differenzierende Lehr-Lern-Prozesse [bietet], welche didaktisch-methodisch in exklusiven Lernsituationen Umsetzung finden können.“ (Türk 2024: 11)
Die acht verschiedenen Lernspiele von kluug, welche Teilprozesse des Lesens auf unterschiedlichen Ebenen (Buchstaben, Silben etc.) fördern, sind darauf ausgelegt, Schüler*innen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen zu unterstützen. Nach der Einschätzung von Frau Türk sind die Spiele 1 und 2 (Buchstaben basteln und Fang es), in denen es um das Erscheinungsbild von Buchstaben geht, ebenso für Schüler*innen mit Hörbehinderung geeignet wie für Schüler*innen ohne Hörbehinderung. Bei Spiel 3 vermutet die Autorin hingegen eine Schwierigkeit für Schüler*innen mit Hörbehinderung, da hier die lautliche Betonung im Fokus steht, was für diese Lerngruppe eine große Hürde darstellt. Besonders hebt Frau Türk die Spiele 4 und 5 hervor (Ab auf’s Band und Familien), welche Wortkonstruktionen und -verwandtschaften trainieren. Sie schätzt diese Spiele als „bedeutend und wichtig für die Förderung der Lesekompetenz hörbehinderter SchülerInnen [ein]“ (Türk 2025: 25), da ein umfangreicher Sichtwortschatz sowie ein Verständnis für die morphologischen und syntaktischen Strukturen der deutschen Schriftsprache für diese Schüler*innengruppe essenziell sind, um die Sprache zu erwerben. Frau Türk lobt den hohen visuellen Input und die aktive Auseinandersetzung mit Schrift in den beiden Spielen. Auch für die Spiele 6, 7 und 8, wo es um Satzgefüge und Textverständnis geht, sieht sie Potenziale, wobei sie Spiel 6 als „besonders förderlich für die Entwicklung der Lesekompetenz hörbehinderter SchülerInnen vermutet, weil die kognitivanspruchsvolle Verarbeitung komplexer Satzstrukturen geübt wird.“ (Türk 2024: 29) Allgemein betont die Autorin zudem, dass die Möglichkeit, jedes Spiel von kluug auch im Zweierteam zu absolvieren, ein wertvolles didaktisches Mittel darstellt, welches auch gut für Schüler*innen mit Hörbehinderung geeignet ist (vgl. Türk 2024: 34).
Insgesamt zieht Frau Türk ein positives Fazit und hält kluug theoretisch für eine didaktisch sinnvolle Unterstützung für Schüler*innen mit Hörbehinderung. Sie schlägt vor, dass diese theoretische Vermutung im nächsten Schritt empirisch untersucht werden sollte, um sie zu verifizieren.
Wir gratulieren Frau Türk herzlich zur bestandenen Bachelorthesis und wünschen ihr für das restliche Studium und weitere Berufsleben alles Gute!
BE
Literatur
Türk, Benita (2024): „kluug“ Lesen lernen? Die Erkundung eines ausgewählten digitalen Lehr-Lern-Settings zur Förderung der Lesekompetenz in Bezug auf didaktische Potentiale und Barrieren für Hörbehinderte SchülerInnen. (unveröffentlichte Bachelorarbeit, Erziehungswissenschaft). Hamburg: Universität Hamburg.